Workshop »Wissensgeschichte der Störung« (mit Tagungsbericht)

Zeit: 13./14.12.2013
Ort: Universität Siegen

Der Workshop, an dem Vertreter aus den Literatur- und Medienwissenschaften, der Medizingeschichte und der Rechtswissenschaft teilnehmen, verfolgt das Ziel, wissensgeschichtliche Konstellierungen und diskursive Ermöglichungsrahmen der Störungen zu orten und zu analysieren. Die Diskussionen werden zunächst angeleitet durch die Problematisierung der Denk- und Beschreibungsfiguren der Zäsur, der Irritation oder des Rauschens, die in einzelnen Disziplinen bereitgestellt wurden: Etwa in den Kommunikationsmodellen der Sprachtheorie und der mathematischen Informationstheorie, in der Kybernetik bis hin zu den Wissenschaften, die sich für prognostische oder handlungstheoretische Zwecke mit Simulationen befassen; ebenso in den Debatten zur vermeintlichen Fremdheit der Schrift und der Natürlichkeit der Sprache; und schließlich im Normalismusdiskurs der Lebenswissenschaften, der auch psycho-physiologische Störungen verhandelt sowie Ein- und Ausschlussprinzipien festlegt.

Davon ausgehend wirft der Workshop einen Blick auf den historischen Umgang mit Störungen und denkt darüber nach, wie sich eine Diskursivierung von Brüchen und Zäsuren mit gesellschaftlichen Debatten verbindet: Wie lassen sich Konzeptionen zu Sicherheitsdispositiven, zur Regulation von Bevölkerungen, zum Ausnahmezustand, zur Prognostik oder zur Kommunikation in verteilten Netzwerken in Abhängigkeit von Störungsphänomenen denken? Auf welche Art und Weise hängen die Formation einer Gesellschaft und ihre Selbstbeschreibungen mit der Störung als Prinzip zusammen, ist die Störung möglicherweise der Normalfall kultureller Dynamik?

Eine Wissensgeschichte der Störung könnte sich folglich mit mindestens zwei zentralen Fragen befassen: Wie läßt sich zum einen die Störung als ein produktives Moment für die Genealogie verschiedener Wissenschaften und für die Formation von Gesellschaften begreifen? Und welches Wissen wird zum anderen über eine Gesellschaft freigesetzt, deren Narrative – wenn die These der Forschergruppe zutrifft – durch die Prozessierung von Störungen angeleitet werden?

Externe Teilnehmer:

Cornelius Borck (Lübeck)
Ludwig Jäger (Aachen)
Susanne Krasmann (Hamburg)
Armin Schäfer (Hagen)
Erhard Schüttpelz (Siegen)
Sebastian Vehlken (Lüneburg)
Joseph Vogl (Berlin)
Hans-Christian von Herrmann (Berlin)
Niels Werber (Siegen)