Abstract von
Steffen Herrmann

Revolution oder Reform? Das Politische und die Politik

Steffen K. Herrmann

 

Radikale Umwälzung der bestehenden Verhältnisse oder Marsch durch die Institutionen? Ob sich bestehende Ordnungen besser durch Transformation von innen oder durch den Umsturz von außen verändern lassen, bildet seit jeher eine Grundfrage emanzipativer Politik. Ihr Spannungsverhältnis möchte ich in meinem Vortrag anhand des Verhältnisses zwischen dem Politischen und der Politik erörtern. Mit dieser in der neueren politischen Philosophie (Laclau, Lefort, Nancy, Rancière) prominenten Unterscheidung werden auf der einen Seite jene politischen Ereignisse zu fassen versucht, welche die Bühne des Politischen fundamental verändern (Wer wird sichtbar?, Wer kann sprechen?, Wer wird gehört?); und auf der anderen Seite jene institutionellen Auseinandersetzungen, welche politische Alltagsfragen betreffen (z.B. ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, edukative Chancengleichheit).

In der politischen Philosophie sind es in den letzten Jahren vor allem die großen politischen Ereignisse gewesen, welche zum Gegenstand der Auseinandersetzung wurden, während Fragen der politischen Institutionalisierung weitgehend vernachlässigt worden sind. Diese Vereinseitigung ist problematisch, da sie das Feld der Politik gänzlich der traditionellen Theoriebildung preisgibt. Mit Hannah Arendts Überlegungen aus Über die Revolution möchte ich dagegen argumentieren, dass emanzipative Kämpfe sowohl das Moment der Neugründung als auch das Moment der Verstetigung im Auge behalten müssten. Mit Arendt werde ich daher die Frage stellen, wie sich der Geist der Revolution in den bestehenden Institutionen lebendig halten lässt und sich Revolution und Reform so mithin nicht mehr als Gegensätze zeigen, sondern als zwei Seiten emanzipativer Kämpfe.