Dr. Anna Schürmer

Anna Schürmer studierte Geschichte, Musikwissenschaften und Literatur in Berlin. Inspiriert von praktischen Erfahrungen im Musikjournalismus und -management, begann sie 2011 ihr Promotionsprojekt zum Thema Klingende Ereignisse. Skandal & Neue Musik. Gefördert durch ein DFG-Stipendium am Graduiertenkolleg „Transnationale Medienereignisse“ der Universität Gießen, wurde sie 2012 am Promotionsprogramm „ProArt“ der LMU-München und 2013 bei der ERC-Forschergruppe “The Principle of Disruption” assoziiert, wo sie seit 2014 auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt ist. In ihrem neuen Projekt widmet sich Anna Schürmer unter dem Arbeitstitel Posthumane Sinfonien der elektronischen und digitalen Musik des 21. Jahrhunderts mit medienkulturwissenschaftlichem Blickwinkel. Parallel entstehen kontinuierlich journalistische Arbeiten für Funk- und Printmedien.

Forschungsexposés

Anna Schürmer interessiert sich besonders für die akustischen/auditiven/sonischen Dimensionen der Zeitgeschichte und des Medialen, insbesondere in Neuer und Elektronischer/Digitaler Musik. Ihre Arbeit ist verortet an der Schnittstelle von Geschichts- und Musikwissenschaften und macht dezidiert medienkulturwissenschaftliche Perspektiven als verbindendes Scharnier fruchtbar.

KLINGENDE EREIGNISSE. Skandal & Neue Musik (siehe weiterführend: Cover mit Gliederung)

Die Musikgeschichte ist auch eine Geschichte ihrer Skandale: Türenschlagen und Buhrufe, Handgemenge und Saalschlachten, Kontroversen und Invektiven begleiteten die klingende Historie nicht nur, sondern sequenzierten sie als ereignishafte Marker. Bis dato Strukturmerkmal einer zwischen den Polen von Tradition und Innovation verlaufenden, normativ-linearen Fortschrittsgeschichte, bekam der ‚klingende éclat‘ an der Schwelle und im Verlauf des 20. Jahrhunderts paradigmatischen Eigenwert: Die Skandalträchtigkeit der ‚Neuen Musik‘ – verstanden als historische Kategorie für die kunstmusikalischen Innovationen im 20. Jahrhundert – resultierte aus der Provokationslust und dem Innovationsimperativ ihrer Avantgarden. Diese erzeugten nicht nur musikästhetisch dissonante Reibungen, sondern brachten auch soziale Problemfelder zum Klingen. Ihre Skandale können als spezifischer Ausdruck des Projekts Moderne interpretiert werden, in welcher der Bruch mit der Vergangenheit und der Schub nach Vorne zunächst extrem beschleunigt wurden, um schließlich im pluralistischen anything goes der Postmoderne zu implodieren.

POSTHUMANE SINFONIEN

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Musikkultur geteilt: Doch die dialektischen Ordnungsmuster zeitgenössischer Musik zwischen elitärer Avantgarde und den massenkompatiblen Produkten der ‚Kulturindustrie‘ werden infolge der ‚digitalen Revolution‘ der Musik auf die Probe gestellt. Seit etwa 1989 entstand ein hybrider Raum, der weder den Paradigmen von Populär- noch denen der Hochkultur folgt und für den sich infolge der Frontstellung zeitgenössischer Musikkultur niemand zuständig zu fühlen scheint. Gleichwohl besitzt gerade dieser ein enormes analytisches, kulturdiagnostisches und medientheoretisches Potential. Dieser Zwischenraum – so die Hypothese – manifestiert sich insbesondere in den Grenzbereichen elektronischer und digitaler Musik, in: Posthumanen Sinfonien.

Diesseits der Hermeneutik mit Hans Ulrich Gumbrecht gesprochen, soll das unvermittelte Musik-Erleben im Zeitalter digitaler Entgrenzung gegen ihre Repräsentation in Stellung gebracht und Kategorien wie Raum und Zeit, Körperlichkeit und sinnliche Intensitäten als Präsenzdimension des ästhetischen Erlebens diskutiert werden. Ziel ist dabei auch, die dialektischen Gegensatzpaare von Mensch und Maschine, Hoch und Subkultur unter digitalen Vorzeichen zu hinterfragen und damit eine medial grundierte Epochenschwelle infolge digitaler Medien für die gesellschaftlichen Funktionen der (Musik-)Kultur beschreibbar zu machen. Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf Fragen zu Medientechniken und -umbrüchen, Musikästhetik und -geschichte sowie Kulturdiagnose und -kritik. Theoretisch bewegt sich das Projekt zwischen phänomenologisch-ethnographischer Beobachtung, populär-theoretischen Diskursfeldern sowie dezidiert kultur- und medientheoretischen Perspektiven, für welche die Musik als Medium nutzbar gemacht werden soll.

 

Publikationen

Monographie

  • Klingende Ereignisse. Skandal & Neue Musik (In Vorbereitung)

Sammelband

  • Gemeinsam mit Zuzana Biľová/Lisa Marie Bowler/Madalina Rosca/Mara Rusch (Hg.): Gesetze der Kunst. Recht und Ritual, Berlin 2015.

Aufsätze

  • Interferences. Critical Perspectives on Early Loudspeaker Music (peer review), in Lars Koch/Tobias Nanz/Johannes Pause (Hg.): Disruption in the Arts, Berlin 2016 (in Vorbereitung).
  • „Topless Cellist”. People & C. v. Charlotte Moorman, in Sandra Frimmel/Sylvia Sasse (Hg.): Quellensammlung des SNF-Projekts „Kunst und Literatur vor Gericht“ des Zentrums Künste und Kulturtheorie der Universität Zürich, Berlin 2016 (in Vorbereitung).
  • Musikalischer Klassenkampf, in Christian Storch/Birgit Wertenson (Hg.): Luigi Nono und der Osten (Musik im Metrum der Macht, Band 6), Mainz 2015.
  • Elektronische Eklatanz. Zwischen Anti- und Hyper-Performanz, in Wolf-Dieter Ernst/Anno Mungen/Nora Niethammer/Berenika Szymanski-Düll (Hg.): Sound und Performance. Positionen – Methoden – Analysen, Würzburg: Königshausen & Neumann 2015, S. 191-205. Open Access
  • Elektroakustische Musik unter Hammer und Sichel: (Musik-)Historische Reflexionen zu Lothar Voigtländers Maikäfer flieg, in Albrecht von Massow/Thomas Grysko/Josephine Prkno (Hg.): Ein Prisma ostdeutscher Musik. Der Komponist Lothar Voigtländer (KlangZeiten – Musik, Politik und Gesellschaft, Band 13), Wien/Köln/Weimar: Böhlau-Verlag 2015. Open Access
  • Elektronische Musik – ein Missbrauch von Heeresgerät, in: Neue Musikzeitung (11/2014). Open Access
  • „Darmstadt hatte stets seine Opfer“. Von der Autonomieästhetik zum Absolutismus der Moderne , in: Neue Musikzeitung (2/2014). Open Access
  • Klingende Skandale – Laute(r) Emotionen, in Iris Cseke/Sebastian Jung/Lars Krautschik/Georg Schneider/Johanna Zorn (Hg.): Produktion, Affektion, Rezeption, Berlin: Epubli 2014, S. 113-134. Open Access
  • Von der Mauer zum Markt. Ein Blick in den musikalischen Osten Deutschlands, in: Neue Musikzeitung (11/2013). Open Access
  • Der Skandal als kreativer Störfall im Sperrbezirk. Von der produktiven Eklatant der Neuen Musik 1913/2013, in: Neue Musikzeitung (7/2013). Open Access
  • „…es wäre ein Akt der Nächstenliebe, sie zu zerschmeißen…“. John Cage und technische Medien: Random zwischen Differenz und Wiederholung, in: kunsttexte.de (4/2012: John Cage und technische Medien). Open Access
  • Taktgeber oder Tabuisierte. Neue Musik in der DDR: Zwischen Zwängen und Möglichkeiten, in: GEMA virtuos (11/2009). Open Access

Journalismus

Für Funk- wie Printmedien entstehen kontinuierlich ausführliche Reportagen und Features, die einen Bogen zwischen Kunsttheorie und Kulturgeschichte, kritischer Publizistik und dem journalistischen Feuilleton spannen und medial aufbereiten. Dazu kommt eine Vielzahl von aktuellen Formaten wie CD- und Konzertkritiken, Interviews, Berichten und Rezensionen.

Eine ausführliche journalistische Publikationsliste finden Sie hier: Journalistische Arbeiten

Hier finden Sie eine Auswahl an Kritiken und Rezensionen sowie radiophone Hörproben:

Sonstiges

  • …ins Extreme geschrieben…, Booklet der gleichnamigen CD-Produktion, Label:  made from nothing 2016 (in Vorbereitung).
  • [GE]RA[E]USCH[EN] – Glossar im Rahmen der Leiture-Performance Prinzipien der Störung Störung (mit Lars Koch, Tanja Prokic, Johannes Pause, Moritz Mutter, Marian Kaiser) im Rahmen von Day in Day out – Störungen des Digitalen (Dresden, GEH8).
  • Kritisches Außen. Mitwirkung bei Innen – eine musikalisch-szenische Installation im Wandel(n) für Sänger_innen und (Innen)Räume von Manuela Kerer im Rahmen der 14. Münchner Biennale. Festival für neues Musiktheater (22.5.2014).
  • Provokation – Innovation – Vermittlung? Strategien der Neuen Musik im Kampf um Aufmerksamkeit im Rahmen der Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik (4.4. 2013).
  • Landesmusikplan Thüringen für den Landesmusikrat (LMR) Thüringen (2011).
  • Zur Situation der zeitgenössischen Musik an deutschen Schulen. Auftragsstudie von: Deutscher Musikrat (DMR), Musikinformationszentrum (MIZ) und Gesellschaft für Neue Musik (GNM). Veröffentlicht unter URL: http://www.miz.org/artikel/studie_zm.pdf (2009).