Trump und der populistische Erscheinungsraum
Johannes Voelz (Frankfurt)
Anhand einer Analyse von öffentlichen Auftritten Donald Trumps und seines US-amerikanischen Vorläufers George Wallace zeigt dieser Vortrag, dass sich der – nicht nur amerikanische – Rechtspopulismus durch einen spezifischen politischen Stil auszeichnet. Dessen Grundlage ist die Zusammenkunft von populistischem Führer und Anhängerschaft in einem »Erscheinungsraum«. Anders als im von Hannah Arendt beschriebenen Erscheinungsraum der antiken Polis verneint der populistische Erscheinungsraum die Pluralität der Handelnden und Sprechenden und kreiert statt dessen mit rhetorischen und ästhetischen Mitteln performativ einen Einheitskörper. Diesen im populistischen Erscheinungsraum entstehenden Einheitskörper kennzeichnen Momente von Ordnung und Störung als zwei Tendenzen, die sich ergänzen und die doch gleichzeitig in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der populistische Erscheinungsraum stellt zwar selbst eine Ordnung dar, doch definiert sich diese durch Störung und Destruktion dessen, was als etabliertes System gebrandmarkt wird. Zum populistischen Stil gehören daher die Verletzung von Verhaltensnormen, die Verneinung von Fakten und damit von demokratischer Deliberation, die Desavouierung der politischen Kultur, die Verunglimpfung politischer Gegner und die Freisetzung aggressiver Impulse gegenüber Minderheiten sowie politischen Gegnern. Die populistische Ordnung ist streng relational, dynamisch und destruktiv – sie ist gerichtet auf die Störung der etablierten Ordnung und ist in diesem Sinne eine Gegenordnung.
Dies erklärt, warum sowohl Wallace als auch Trump den Wahlkampf dem Regieren vorzogen und warum Trump schon nach wenigen Wochen im Amt Wahlkampfveranstaltungen abhielt: populistische Politik ist darauf angewiesen, ihren Erscheinungsraum immer wieder zu reaktualisieren und damit den kollektiven Körper zu rekonstituieren. Auch erklärt die Abhängigkeit des Populismus vom Zusammenspiel von Störung und Ordnung, warum Trump Kabinetts- und Teammitglieder öffentlich angreift (v.a. mithilfe von Twitter, das er als Medium des »heckling« nutzt): populistisches Regieren US-amerikanischer Prägung muss selbst im Besitz der Macht oppositionell gegen die Instanz der Macht vorgehen (hieraus ergeben sich auch gelegentliche, flüchtige Allianzen mit der nominellen Opposition). Der populistische Führer kann seine Rolle als Verkörperung des einheitlichen, wahren Volkes nur dann glaubhaft ausfüllen, wenn er die bestehende Ordnung stört. Denn die sich als das wahre Volk definierende populistische Gefolgschaft gewinnt ihr Selbstverständnis als eigentliches Volk gerade dadurch, dass es von der dominanten Ordnung verkannt und marginalisiert wird. Wie schon die Theoretiker des Faschismus – v.a. Wilhelm Reich, Erich Fromm und Theodor Adorno – erkannt haben, ist auch der Populismus von einer »sadomasochistischen« Gefühlsstruktur (Fromm) gekennzeichnet. Diese Gefühlsstruktur bindet die populistische Gefolgschaft auch im Fall des politischen Machtbesitzes imaginär an eine Position der Unterworfenheit und bietet ihr zugleich einen Raum für das Ausagieren von aufgestautem Ressentiment.